Archiv für den Monat: Mai 2014

Bürgerbeteiligung als Generationendialog

In der Stadt Schramberg im Schwarzwald gelingt mit Unterstützung von Erik Flügge und Udo Wenzl, was sonst nur theoretisch erdacht und mit Nachdruck eingefordert wird: Ein erfolgreich durchgeführtes Generationenforum.

Generationendialog Flügge Wenzl

Generationenpolitik als Herausforderung der Zukunft

Bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel ist ein Miteinander der Generationen heute nicht mehr selbstverständlich. Oft verhindern Vorurteile und Berührungsängste einen intensiven Austausch zwischen den Generationen. Wer nicht mehr zusammen wohnt, kommt kaum noch in Kontakt.

Viele gute Projekte zeigen jedoch, dass durch die Begegnung von Jung und Alt und durch gegenseitiges unterstützendes Engagement das Verständnis füreinander wächst und der Zusammenhalt in der Gesellschaft gefördert wird.

Durch den demografischen Wandel entstehen neue Situationen und Rahmenbedingungen, die wir mit der bisherigen Politik und ihrem Handwerkszeug nicht oder nur begrenzt bewältigen können. Viel zu oft sind heutige Politiken nur kurzfristig ausgelegt und verfehlen das Ziel langfristiger Wohlstandssicherung. Um den zukünftigen Generationen Handlungsspielräume zu eröffnen, braucht es grundlegende und mutige Entscheidungen. Es geht um das Leben der heutigen Generationen, und es geht zugleich um Gegenwart und Zukunft der kommenden Generationen.

Zu einem Konflikt zwischen den Generationen darf es nicht kommen! Es stellt sich vielmehr die Frage, ob ein verstärkter Dialog zwischen den Generationen zu einem neuen Verhältnis aller Bürgerinnen und Bürger in einer Kommune beitragen kann.

„Eine Gemeinschaft, die es dem Einzelnen ermöglicht, sich als wichtiges und wertvolles Mitglied dieser Gemeinschaft zu erleben, ist eine Kommune.“ (Gerald Hüther, Kommunale Intelligenz, Seite 15, 2013)

Wie kann der Generationendialog im kommunalen Raum gelingen?

Der Generationendialog fördert und unterstützt den Austausch und das gegenseitige Verständnis von Jung und Alt. Gerade die junge Generation erhält so die Möglichkeit, sich am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen, denn Jugendliche nehmen in diesem Diskurs eine aktive Rolle im Dialog mit den Erwachsenen ein.

„Wir sind alle erst zu dem geworden, was wir heute sind, weil es andere Menschen gab, die uns dabei geholfen haben, die uns gezeigt haben, worauf es ankommt.“ (Gerald Hüther, Kommunale Intelligenz, Seite 12, 2013)

Die reale Begegnung verschiedener Generationen im gesamtgesellschaftlichen Kontext könnte eine Generationenpolitik im kommunalen Raum ermöglichen, die nicht nur die Partikularinteressen einer Generation im Blick hat, sondern eine gemeinsame Strategie für alle Generationen entwickelt und diese dabei unterstützt, füreinander einzustehen.

Nicht über die Jugendlichen, ihre Themen und Anliegen sollte gesprochen werden, sondern mit ihnen, da Jugendliche einerseits die Experten in eigener Sache sind und andererseits durch den Dialog mit Älteren einen Weitblick für das kommunale Gesamtgefüge entwickeln können. Die Älteren wiederum erfahren im Dialog mit den Jungen, was deren jetzige Anliegen, aber auch ihre Zukunftsthemen sind.

„Die Kommune ist schließlich der Ort, an dem Heranwachsende lernen, worauf es im Leben ankommt, wie man gemeinsam mit allen anderen sein Leben gestaltet und wie man seinen Teil der Verantwortung für dieses Zusammenleben übernimmt. Insofern ist und bleibt die Kommune der entscheidende und komplexeste Erfahrungsraum, in dem das soziale Leben eingeübt werden kann.“  (Gerald Hüther, Kommunale Intelligenz, Seite 15, 2013)

Das Generationenforum in Schramberg

In Schramberg ist es gelungen, engagierte Senioren und Jugendliche zusammen zu bringen. In einem großen Generationenforum tauschten sich die Jüngsten und die Ältesten in der Stadt über ihre Interessen aus. Sie fanden Schnittmengen bei den Themen Mobilität, Innenstadtentwicklung und dem gemeinsamen Wunsch, mehr Einfluss auf die kommunale Politik nehmen zu können.

Das Forum wurde in der Stadt mit hohem Interesse aufgegriffen. Senioren stellen in der kommunalen Politik eine wichtige Wählergruppe dar und Jugendliche haben seit der Wahlaltersenkung in Baden-Württemberg an Bedeutung gewonnen. Dass sich die beiden Gruppen nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern im Vorfeld der Kommunalwahlen gemeinsam Position beziehen, macht sie stark. So gelingt in Schramberg praktisch, was sonst nur gewünscht und eingefordert wird: Ein Miteinander der Generationen.

Alternative zum Jugendgemeinderat? – Das Modell des 8erRat.

Das Modell des Jugendgemeinderates ist nur teilweise erfolgreich. In wenigen Kommunen ist die Parallelinstitution zum Stadt- oder Gemeinderat für Jugendliche dauerhaft eine lebendige Beteiligungsform. In zu vielen Kommunen sorgen die modellimmanenten Barrieren dafür, dass sich zu wenige und ausschließlich beteiligungsnahe Jugendliche engagieren.

Wo der Jugendgemeinderat gut funktioniert, soll er nicht in Frage gestellt, sondern unterstützt werden. Allerdings ist eines in jedem Fall klar: Das Modell der Jugendgemeinderäte ermöglicht es einigen wenigen – gewählten – Jugendlichen eine intensive Beteiligungserfahrung in ihrer Stadt zu machen. Sie gehen gestärkt und oftmals auch im Anschluss an ihr Ehrenamt als engagierte Bürgerinnen und Bürger aus dieser Beteiligungsform hervor. Das Interesse dieser Jugendlichen für Politik wurde geweckt.

Eine Gesellschaft, die allen jungen Menschen politische und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen will, muss sich zum Ziel setzen, konkrete politische Partizipationserfahrung nicht nur für wenige zu ermöglichen, sondern jedem Jugendlichen in der Kommune zugänglich zu machen.

Mit dem Modell des „8erRat“ haben die bundesweit anerkannten Jugendbeteiligungsexperten Erik Flügge und Udo Wenzl ein Modell entwickelt, das alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 8 in einem Kooperationsverfahren von schulischem Politikunterricht und außerschulischer Beteiligungsarbeit an Entscheidungen in der Kommune beteiligt.

Im 8erRat setzen sich die Jugendlichen für ein Jahr selbst ihre Agenda, werden in einem strukturierten Verfahren unterstützt und feiern gemeinsam nach einem Jahr ihren Erfolg. Damit trägt das Modell dem Trend zu projektorientierten Beteiligungsformen Rechnung und ermöglicht dennoch die intensive Einarbeitung in einen konkreten Beteiligungsgegenstand. Anknüpfend an den Bildungsplan und sein Thema „Politik in der Kommune“ eröffnet das Modell dem Politikunterricht dieses Thema erfahrungsorientiert zu unterrichten.

Wird das Projekt als kontinuierliche Beteiligungsform etabliert, so können über die Jahre hinweg alle Jugendlichen einer Stadt ihr Jahr der Beteiligung erlebt haben. Ehemalige Teilnehmende können die aktuellen Jahrgänge der Stufe 8 unterstützen. Verbände und Vereine können durch eine Anbindung an das Modell direkt ihre Angebote eines anschließenden Engagements in ihren eigenen Strukturen machen.

Mit diesem Modell trägt eine Kommune umfassend dem Anspruch Rechnung „hier und heute Kindern und Jugendlichen positive Beteiligungserfahrungen zu ermöglichen, damit sie auch später zu mündigen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern werden“ (Bertelsmannstiftung).