Archiv für den Monat: April 2013

Landtagswahlen ab 16 in Schleswig-Holstein

von Erik Flügge

jetzt ist es amtlich, Jugendliche ab 16 Jahren können ab der nächsten Wahl über die Zusammensetzung des Landtages mitentscheiden. Damit setzt das nördlichste Land der Bundesrepublik einen bundesweiten Trend der Wahlaltersenkung fort.

Eigentlich ist es logisch, dass junge Menschen auch den Landtag mitwählen können sollten. Schließlich ist keine andere Gruppe in der Bevölkerung so sehr und so einschneidend von landespolitischen Entscheidungen abhängig wie die Schülerinnen und Schüler. Denn Bildungspolitik ist Ländersache und damit bestimmt der Landtag über wesentliche Teile jugendlichen Lebens.

Die Wahlaltersenkung kann jedoch nur der Anfang sein. Jugendringe in Deutschland fordern schon länger das Wahlalter 14 und eine ganze Gruppe von Bundestagsmitgliedern aus allen Fraktionen fordern das Wahlalter 0. Eines ist klar, der Trend geht dazu junge Menschen früher als mündige Teile der Gesellschaft zu betrachten. Das ist richtig so.

Wahlaltersenkung in Baden-Württemberg: Jetzt geht die Arbeit erst los!

von Erik Flügge

Es ist soweit! Soeben hat der Landtag von Baden-Württemberg die Absenkung des Wahlalters bei den Kommunalwahlen auf 16 Jahre beschlossen. Aber damit ist die Arbeit noch nicht vorbei, sondern sie hat gerade erst begonnen. 

Wir senken das Wahlalter und dann haben wir mehr Demokratie, ist ein zu einfacher Schluss. Die Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre ist ein wichtiges Signal für die Beteiligung junger Menschen, aber sie reicht bei weitem nicht aus. Die heutige Entscheidung des Landtages muss flankiert werden durch Maßnahmen der politischen Bildung, durch Vorbereitung und durch Unterricht. All das ist bisher nur vage Absicht, aber nicht ausreichend konkret geplant.

Der Entschluss des Landtages verpflichtet zu mehr. Er verpflichtet die unterschiedlichen Akteure im Land jetzt aktiv zu werden. Durch viele Einzelmaßnahmen in den Städten und Gemeinden im ganzen Land. Jugendliche wollen befähigt werden, um sich mündig zu entscheiden. Das gelingt nicht nur durch politische Kampagnen, sondern vor allem durch politische Bildung.

Konkret heißt das:

– Bildungsplan umstricken, damit das Thema „Politik in der Kommune“ nicht erst in Klasse 8 kommt.

– Flächendeckende Förderung von ECHTER Jugendpartizipation im ganzen Land, damit Jugendliche positive Erstkontakte mit der Kommunalpolitik erleben können.

– Entwicklung von Methoden zur politischen Bildung und von Begleitmaterial zur Landtagswahl.

Bürgermeister Brütting: Bürgerinnen und Bürger wollen anlassbezogen überzeugt und motiviert werden.

Frederick Brütting ist Bürgermeister in der baden-württembergischen Kleinstadt Heubach und will sein Amt im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern seiner Stadt ausführen. Im Interview erklärt er, wie Bürgerbeteiligung auch in ärmeren Kommunen gelingen kann. 

Frederick Brütting

Herr Brütting, Sie sind Bürgermeister der 10.000-Einwohner Stadt Heubach in Baden-Württemberg. Bei einer Stadt dieser Größe kommen Sie mit einer Großzahl ihrer Bürgerinnen und Bürger direkt in Kontakt. Wie wichtig ist Ihnen der Dialog mit der Stadtbevölkerung?

Ich erlebe, dass es entscheidend für die Akzeptanz von kommunalpolitischen Entscheidungen ist, dass diese gut erklärt werden und man die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbezieht. Damit wird ein enger Kontakt zur Voraussetzung für das Gelingen von Projekten – von Großen wie von Kleinen. Insgesamt kann man sagen, dass für die meisten Projekte jeweils eine Art von Wahlkampf notwendig wird. Das Campaigning ist also nicht mehr nur auf die Zeit der Bürgermeisterwahl beschränkt. Bürgerinnen und Bürger wollen anlassbezogen überzeugt und motiviert werden.

Bürgerbeteiligungs-Skeptiker argumentieren oft, dass die meisten kommunalen Entscheidungen zu komplex sind, als dass sie von Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet werden könnten. Als wie informiert erleben Sie die Einwohner von Heubach?

Es ist die Aufgabe des Bürgermeisters, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. In der Wahl der Medien muss man die jeweilige Zielgruppe im Auge haben. Ich nutze sowohl das Amtsblatt und den Stammtisch, als auch Facebook, Twitter und das Radio oder den lokalen Fernsehsender um die unterschiedlichen Milieus zu erreichen.

Heubach gehört nicht zu den reichen Kommunen, sondern muss aktuell deutliche Einschnitte hinnehmen, um den Haushalt zu sanieren. Kann Bürgerbeteiligung überhaupt gelingen, wenn es wenig zu verteilen, aber viel zu kürzen gibt?

Zu Beginn meines Wahlkampfes habe ich eine Bürgerumfrage gestartet. Die Bürger konnten verschiedenen Aufgaben unterschiedliche Prioritäten beimessen. Mit 80 Prozent Zustimmung liegt der Schuldenabbau an erster Stelle. Die Menschen wissen sehr genau, was die Stadt sich leisten kann und was nicht.

2011 wurde in Heubach eine Zukunftswerkstatt mit Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Damals wurden Fragen aufgeworfen wie „Was ist gut in Heubach?“, „Was muss verbessert werden?“ und „Welche Visionen haben wir?“. Wurden die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger im Anschluss aufgegriffen und von der Verwaltung und dem Gemeinderat ernsthaft verfolgt?

Klare Antwort: Ja. Wir haben viele Forderungen umgesetzt. Zum Beispiel das Familienbüro, einen Wegweiser für Familien, mehr Zusammenarbeit unter den Vereinen, alternative Formen in der Jugendarbeit etc. Ich meine aber, dass Bürgerbeteiligung ein permanenter Prozess ist, der sich nicht nur auf eine Veranstaltung oder Werkstatt reduzieren sollte.

Die Stadt Schramberg im Schwarzwald macht gerade sehr gute Erfahrungen beim intergenerationellen Dialog zwischen Jugendlichen und Senioren, um die Stadt weiterzuentwickeln. Können Sie sich vorstellen, dass ein solcher Dialog auch in Heubach hilfreich sein kann?

Das Thema demografische Entwicklung ist das Megathema im ländlichen Raum. In Heubach wird sich die Zahl der über 80 jährigen bis 2030 verdoppeln. Dieser Dialog ist dringend notwendig. Wir werden das noch im laufenden Jahr konkret angehen. Ein erster Schritt ist bereits getan: Schülerinnen und Schüler unserer Schulen arbeiten im Rahmen einer Bildungspartnerschaft im Pflegeheim.

Sie sind 29 Jahre alt und haben sich entschieden als Bürgermeister in einer kleinen Stadt auf dem Land zu kandidieren und haben trotz starker Konkurrenz 67 Prozent der Stimmen erhalten. Was reizt Sie an der Kommunalpolitik auf dem Land?

Speziell in Heubach ist es die Verbindung einer wundervollen Landschaft mit tollen Sport- und Freizeitmöglichkeiten auf der einen Seite und einem Unterzentrum mit städtischem Charakter und einer industriellen Tradition. Außerdem spürt man hier die Auswirkungen von gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Entscheidungen sehr direkt. Das unmittelbare Feedback der Bürgerinnen und Bürger – positiv wie negativ – bringt einen auch persönlich weiter.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Erik Flügge.