Archiv für den Monat: Januar 2015

Mit Kindern und Jugendlichen die Gemeindeentwicklung starten

von Udo Wenzl

Haben Sie schon einmal überlegt, Ihre Gemeindeentwicklung mit den Kindern und Jugendlichen der Gemeinde zu starten? Wenn nicht, dann wäre dies aus mehreren Gründen eine Überlegung wert. Denn: Die Weiterentwicklung Ihrer Gemeinde dient insbesondere denen, die möglicherweise noch sehr lange in der Gemeinde leben sollen und wollen und oft auch leben werden.

Gerade die im ländlichen Raum liegenden, meist kleineren Kommunen stehen vor der Herausforderung, Zukunftsperspektiven so zu entwickeln, dass sie auch weiterhin attraktiv für ihre, für alle Bürgerinnen und Bürger sind. Die Gemeindeentwicklung ist somit eine aktuelle und immer wieder kehrende Aufgabe einer Kommune.

Eine kinder- und jugendfreundliche Gemeindeentwicklung ist von zentraler und zukunftsweisender Bedeutung. Eine Gemeinde im ländlichen Raum ist nur dann wirklich lebenswert und auch funktionsfähig, wenn die unterschiedlichen Generationen in dem Dorf zusammen leben können. Vor allem unter dem Aspekt der demographischen Entwicklung ist daher von geradezu existenzieller Bedeutung, auch den jungen Menschen eine Perspektive zu bieten.

Kinder und Jugendliche haben eine Stimme und eine Vorstellung von Zukunft!

Um insbesondere für die junge Generation attraktiv zu bleiben, braucht es eine neue und eigenständige Jugendpolitik im ländlichen Raum, die von Anfang an Kinder und Jugendliche aktiv mit einbezieht, bzw. den Raum gibt, dass Kinder und Jugendliche sich aktiv einbringen wollen und auch tun. Würde dies geschehen, dann könnte es dazu führen, dass sich die junge Generation von Anfang an als wichtiger Teil der Kommune fühlt.

Unsere Mitwirkungs- und Beteiligungsformate im kommunalpolitischen Raum erreichen meist diejenigen, die schon wahlberechtigt sind. Und die Beteiligungsformate wie z.B. Zukunftswerkstätten sprechen bestimmte, meist erwachsene Zielgruppe an.

Eigenverantwortung, Mitbestimmung und Mitsprache bieten jungen Menschen die Möglichkeit, ihre besonderen Interessen und Wünsche zu artikulieren und aktiv an der Gestaltung der eigenen Lebenswelt mitzuwirken. Nur so kann es gelingen, die Interessen der Kinder und Jugendlichen in ein ganzheitliches Konzept einzubinden, damit die Dörfer sich zu kinderfreundlichen Lebensräumen weiterentwickeln können. Und hier geht es nicht nur um Betreuungsangebote für die Kleinsten.

Förderprogramme unterstützen diese Entwicklung

Eine Vielzahl an Unternehmungen wie z.B. Landeswettbewerbe „Unser Dorf hat Zukunft“ (2013 – 2016), das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) oder auch die neuen regionalen LEADER – Entwicklungspläne greifen dieses Anliegen aktiv mit auf. Förderungen aus solchen Programmen u.a. auch der Landesentwicklungsprogramme sind mittlerweile geknüpft an Bürgerbeteiligungsverfahren.

Gerade mit den Fördermitteln von Leader können ab 2015 (und sicher nicht nur in Baden-Württemberg) Gemeindeentwicklungsprozesse gefördert werden. Wie eine solche Beteiligung im ländlichen Raum aussehen könnte, haben wir bereits 2013/2014 in sieben Schwarzwaldgemeinden praktiziert (https://www.partizipations-blog.de/beispiel-seite/jugendbeteiligung/leader-sudschwarzwald/). Einen zentralen Schwerpunkt dabei bilden die Kinder-, Jugend und Bürgerbeteiligung, so dass sich die Bevölkerung in die Gestaltung ihres Lebensumfelds selbst mit einbringen kann.

Ein Blick nach Rheinland-Pfalz

Mit Blick auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Dorf- und Gemeindeentwicklung ist Rheinland-Pfalz schon einen Schritt weiter: Die Landesregierung hat eine Broschüre aufgelegt, die die Interessen und Bedürfnisse der jungen Generation im ländlichen Raum benennt und beispielhafte Maßnahmen und Methoden vorstellt, wie Kinder und Jugendliche in einem Entwicklungsprozess angemessen beteiligt werden können. Hier existieren Leitlinien zur kinder- und jugendfreundlichen Dorfentwicklung, die ganz deutlich machen: Ohne eine Beteiligung der Zielgruppe selbst geht es nicht!

Die Leitlinien zur kinder- und jugendfreundlichen Dorfentwicklung sind zu finden unter:  http://mifkjf.rlp.de/fileadmin/mifkjf/service/publikationen/Kinder_und_Jugend/Leitlinien_Dorfentwicklung_2010.pdf

E-Partizipation: Die Illusion von der einen Plattform

Eine bundesweit oder sogar europaweit von Millionen Menschen genutzte Beteiligungsplattform ist die Allmachtsphantasie von Ministerien, Politikern und Verbänden in der Bürger- und Jugendpartizipation. Egal wie viel Geld in diesem Segment noch verbrannt wird, der Versuch muss scheitern. 

von Erik Flügge

Was hat man nicht schon alles versucht. Hohe Summen öffentlicher Gelder wurden für die Entwicklung, Programmierung und den Betrieb von Beteiligungsplattformen versenkt. Alle diese Projekte scheiterten bitterlich. Der Grund dafür ist recht einfach, wird aber beständig ignoriert: Die Methode kommt zum Schluss.

E-Partizipation beginnt entgegen aller pädagogischen Literatur immer mit der Methode. Irgendwer hat die Phantasie, er könne auf seiner Plattform alle Initiativen, Gedanken und Zielgruppen bündeln und dauerhaft binden. Mal ganz ehrlich, das kann nicht funktionieren und eine gute Einführungsveranstaltung an einer Hochschule zum Thema Bürgerbeteiligung reicht aus, um das zu verstehen.

Es ist der falsche Ansatz zu glauben, dass allein die Möglichkeit seine Meinung Kund zu tun, Menschen zu mobilisieren vermag. Viel zu selten glauben Bürgerinnen und Bürger und insbesondere Jugendliche daran, dass das, was sie zu sagen haben, auch wirklich gehört wird. Darum müssen alle Beteiligungsprozesse mit Vertrauensarbeit beginnen. Dafür trifft man sich in Veranstaltungen, spricht miteinander, baut Beziehungen zueinander auf, um dann über die eigentliche Sache ins Gespräch zu kommen. So funktionieren alle erfolgreichen Beteiligungsprozesse und all diese Grundsätze werden im Netz ignoriert.

Wie kommt also diese Fehlkonzeption in die Köpfe der Entscheidungsträger? – Ich bin der Überzeugung, sie entsteht aus Unwissenheit über das Internet. In den Köpfen vieler Menschen hat sich festgesetzt, dass unglaublich viele Menschen das Internet nutzen und sich dort bewegen. Ja, das stimmt, aber der Fehler ist, dass das Internet als zentraler Ort missverstanden wird. Im Netz halten sich Menschen an ganz unterschiedlichen Orten auf und kommunizieren in ganz unterschiedlichen Gruppen. Genau wie in jeder Stadt gibt es Gruppen im Netz, die sich gegenseitig niemals begegnen. Das Internet als Ganzes zu einem zentralen Beteiligungsort zu verklären, ist, als wenn man die Forderung aufstellen würde: „Beteiligung muss in der Stadt stattfinden, weil Menschen in der Stadt leben“. Der Satz ist grundsätzlich richtig, nur leider erwächst aus ihm keine konkrete Handlung, denn unklar bleibt, mit wem in der Stadt an welchem Ort in der Stadt und mit welcher Methode zu welchem Zweck Menschen beteiligt werden sollen.

Mich ärgert, wie viele Dienstleister aktuell diesen Fehlschluss über das Internet in den Köpfen von Entscheidungsträgern ausnutzen. Hinz und Kunz bietet jeweils eine Beteiligungsplattform an. Immer wird versprochen, sie wäre die eierlegende Wollmilchsau. Diese Beteiligungsplattform wird alles können – von der Beteiligung an Bebauungsplänen über das Melden von Mängeln, das Besprechen tagesaktueller Politik bis hin zu konkreten Entscheidungsprozessen. Mit der tollsten, neusten, besten Plattform wird das alles möglich, denn schließlich sind doch alle Menschen neuerdings im Netz.

Ich bin mir unsicher, ob die Anbieter bewusst täuschen, oder ob sie sich selbst der Illusion hingeben, Beteiligung könnte so funktionieren. In jedem Falle ist mittlerweile eindeutig empirisch durch alle möglichen Feldversuche mit Plattformen erwiesen, was theoretisch schon immer klar war, der Ansatz von Beteiligungsplattformen für alle und alles ist kompletter Quatsch.

Es gibt gelingende E-Partizipation

Es gibt erfolgreiche Beteiligungsprozesse unter Nutzung des Internets. Ja, solche Beteiligungsprozesse können gelingen und die Nutzung von Technologie kann auch echten Mehrwert für Beteiligungsprozesse bringen. Die erfolgreichen E-Partizipationsprozesse haben aber alle etwas gemein. Sie definieren erst den Beteiligungsgegenstand, dann die Zielgruppe und schließlich entscheiden sie sich für die richtige Abmischung an Methoden. Eine dieser Methoden kann gerne ein Werkzeug oder Netzwerk aus dem Internet sein. Sie ist aber niemals gesetztes Muss.

Erfolgreiche Partizipation muss egal ob offline oder online oder in einer online-offline-Kombination immer anerkennen, dass es Menschen mit unterschiedlichen Beteiligungserfahrungen und methodischen Bedürfnissen gibt. Erfolgreiche Partizipation kennt die zu erreichende Zielgruppen und optimiert ihre Verfahren in solcher Weise, dass diese Zielgruppe die bestmögliche Chance bekommt, sich einzubringen.

Würden wir all die Mittel, die heute für die Entwicklung von Beteiligungsplattformen verbrannt werden, in gut gemachte Beteiligungsprozesse investieren, unser Land hätte wirklich gewonnen und es gäbe weniger Ruinen im Netz.