Die „Arena der Alten“ und die Zukunft der Kommunalpolitik mit der jungen Generation (neu) gestalten…

Udo Wenzl und Friedhelm Werner

Udo Wenzl und Friedhelm Werner

Willkommen in der „Arena der Alten“ (Zitat des Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch bei der Begrüßung einer Veranstaltung zur Kinder- und Jugendbeteiligung im Ulmer Sitzungssaal). So bezeichnete er die durchaus ehrwürdige Ratsrunde mit den im Tisch versenkten Mikrophonen und vielen „arenaerfahrenen Teilnehmer*innen“. Es ging um gelingende Umsetzungsmöglichkeiten von § 41a der baden-württembergischen Gemeindeordnung. Über 60 Teilnehmende waren gekommen und hörten aufmerksam den Referierenden zu. Da war Hannes Wezel vom Staatsministerium, der das Wählen ab 16 Jahren hervorhob und auf die vielen Möglichkeiten hinwies, die der § 41 a GemO den Kommunen einräumen würde, um Kinder und Jugendliche in angemessener Weise zu beteiligen. Keine feste Form sei vorgeschrieben, da lasse man den Kommunen freie Hand. Aber genau daran entzündete sich dann gleich die Kritik: BM Bernd Mangold aus Berghülen, zugleich Kreisvorsitzender des Gemeindetages Baden-Württemberg, machte keinen Hehl daraus, dass es den § 41 a GemO nicht bedurft hätte. Ein zumindest vom Gemeindetag ungeliebtes Kind also – der § 41 a GemO. Kinder- und Jugendbeteiligung werde schon lange in den Kommunen praktiziert. Der § 41 a GemO sei nicht nötig gewesen, er erschwere nur die Arbeit. In diesen Tenor stimmten denn auch fast alle der anwesenden ca. 25 Bürgermeister ein. Bis auf zwei Ausnahmen: BM Klaus Kaufmann aus der rund 11.000 Einwohner zählenden Stadt Laichingen vertrat eine andere Auffassung. Er fand mehr Jugendbeteiligung und sogar eine Pflicht für richtig und wichtig. Deshalb habe er am Nachmittag ein Jugendforum geplant, bei dem rund 200 Schülerinnen und Schüler mit dabei waren. Auch der Laichinger Gemeinderat würde die Initiative für mehr Jugendbeteiligung an der Kommunalpolitik eindeutig unterstützen. Das kam bei den anwesenden Jugendlichen, die als Zuhörer im Ulm Sitzungssaal waren sehr gut an. Auch der Langenauer Bürgermeister Daniel Salemi, 2016 ins Amt gewählt, konnte von positiven Beispielen der Jugendbeteiligung berichten. Ein Speed-Dating bei der BM-Wahl mit Jugendlichen sei der Auftakt gewesen, mehr Jugendbeteiligung werde es auch in Langenau geben. 2017 hat man sich dort in Richtung „8er Rat“ mit dem Kreisjugendreferat auf den Weg gemacht. Und im März 2017 hat auch der Gemeinderat „grünes Licht“ für den 8er Rat gegeben, den das Kreisjugendreferat zuvor vorgestellt hatte. Langenau ist damit die erste Gemeinde im Alb-Donau-Kreis mit einem 8er-Rat. Weitere Kommunen, in denen Jugendbeteiligung im Alb-Donau-Kreis stattfinden, hat Thomas Längerer von Kreisjugendreferat vorgestellt. Die hier vorgestellten Beispiele aus einem ländlich geprägten Landkreis sind nicht einmalig. Ein Blick in die 35 Landkreise von Baden-Württemberg zeigen, dass sich die Umsetzung „von 41a“ sehr unterschiedlich entwickelt. Dies zeigt auch die 2015 von der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführte Untersuchung zur kommunalen Jugendbeteiligung (https://www.lpb-bw.de/fileadmin/Abteilung_III/jugend/pdf/jugendbeteiligung_2016.pdf). Es gibt noch viel zu tun!

Erfahrungen mit Beteiligung im kommunalen Raum

Klar, Beteiligung ist nichts grundlegend Neues in der Kommunalpolitik. Aber der § 41a GemO geht einen Schritt weiter. Es geht darum, dass es nicht mehr eine Kür ist, Kinder und Jugendliche zu beteiligen, sondern dass es Pflicht ist, zumindest Jugendliche bei jugendrelevanten Themen direkt einzubeziehen. Kinder sollen und Jugendliche müssen bei allen Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen: Natürlich ist es jetzt etwas heraus-fordernder, die jugendrelevanten Themen zu benennen (OB Planungen und Vorhaben, sie betreffen?) und das kann und muss auch ein weites Feld sein und WIE Kinder und Jugendliche in angemessener Weise beteiligt werden müssen bzw. sollen.

Die Gemeinde und hier sind in erster Linie die politisch Verantwortlichen (Bürgermeister) gefragt, muss überlegen, betrifft das Vorhaben Kinder und Jugendliche, wird von dieser Planung die Interessen von Kinder und Jugendlichen betroffen? Also die Frage nach dem OB – die Aufgabe jugendrelevant ist. Und das ist echt ein weiteres Feld. Das ist eben nicht nur das Jugendhaus, der Kinderspielplatz, der neue Bolzplatz, … nein, das kann auch die Ausstattung der Kindergärten und Schulen sein, dass kann ein neuer Radweg sein, das können sogar die künftigen Entwicklungs-schwerpunkte eines Stadtleitbildes sein, Kommune 2030, in der die Kinder und Jugendlichen gerne wohnen, leben und arbeiten. Wenn das klar ist, dann kostet es nochmals Arbeit. Denn dann kommt die Entscheidung oder Festlegung darüber, WIE die angemessene Weise aussieht. Eine Anhörung, ein Besuch des Bürgermeisters im Jugendhaus, eine Umfrage von ausgewählten Jugendlichen, wird ein Jugendrat gebildet, startet die Gemeinde einen Jugendbeteiligungsprozess, geht die Kommune an die Schule und macht dort „Fachunterricht: Wir gestalten unsere Gemeinde“? … alles ist möglich. Und das ist doch klasse, das ist doch der erste Schritt fürdie Auseinandersetzung und Beschäftigung der Kinder und Jugendlichen mit kommunalen Themen, mit der Lebenswirklichkeit ihrer Gemeinde,

  1. mehr Information, mehr Wissen über unsere Gemeinde,
  2. aus mehr Wissen über die Gemeinde folgt oft das Kennenlernen der Entscheider in der Gemeinde, dann das
  3. selber mitmachen in der Gemeinde, im Jugendbeirat, im 8er-Rat, im Jugendparlament, im JGR und dann
  4. ja – dann könnte 2019 die Kandidatur für einen Sitz im Gemeinderat die Folge sein. Oder nicht?

Kommunalpolitik mit einer jungen Generation neu gestalten beginnt mit Information. Beginnt mit Austausch, mit Geschichten, mit Erfahrungen, mit der Begegnung mit Menschen, die Lust auf Kommunalpolitik haben, weil sie in der Gemeinde gut und gerne leben. Nach dem Wissen, kommt das Diskutieren, das bessere Kennenlernen und so wächst hoffentlich die Lust auf das Mitmachen, das Gestalten von Kommunalpolitik, das Festlegen von Öffnungszeiten des Jugendhauses, die Beratung über die Höhe der Vereinsförderung, die Diskussion über die Schülerbeförderung, die Festlegung der Höhe der Kindergartengebühren, den Bau eines neuen Radwegen, die Festlegung eines neuen Baugebietes, … usw. Dann wird aus der Arena der Alten plötzlich der Aufenthaltsraum oder der Lebensraum der jungen Generation. Dann kommt Jugend in die Arena der Alten und kann zeigen, wie man über alte Probleme neu nachdenkt, wie man verkrustete Strukturen aufbricht, Sitzungen interessant gestaltet, vor Orttermine mit Öffentlichkeit begleitet, … kurz Leben kommt zurück in die Arena der Alten. So könnte es sein, wenn – ja wenn der § 41 a GemO auf mehr Zustimmung bei den Bürgermeistern und Gemeinderäten finden würde. Wenn die Chancen aufleuchten würden, weniger die Arbeit, der Aufwand und das Risiko dann hätte wir schon viel erreicht. Zu oft regiert in den Amtsstuben immer noch der Grundsatz: Das haben wir schon immer so gemacht und das war auch gut so.

Ja – im Verlauf der Diskussion gewannen wir doch den „leisen“ Eindruck, dass ein groß Teil der anwesenden Bürgermeister aus dem Alb-Donau-Kreis auch zukünftig recht wenig gegen die „Arena der Alten“ unternehmen möchten. Zusammenarbeit mit der junge Generation ja – aber nicht verpflichtend, … und die Tradition der Väter quasi übernehmend – so wie das bisher eben war. So zumindest unser Eindruck. Der § 41 a GemO möchte das aber genau umgekehrt. Ein aktives Prüfen und aktives Einbeziehen der jungen Generation. Nicht warten, abwarten, sondern die Segel setzen und aktiv losfahren. Wir brauchen die junge Generation spätestens 2019 beim Aufstellen der Listen für die Kommunalwahlen – und gut – wer hier schon in der Schule der Kinder- und Jugendbeteiligung dabei war. Der kann schon auf „erste kommunalpolitische Erfahrungen“ verweisen. Das ist die Kommunalpolitik des 21ten Jahrhunderts, die jetzt schon aktiv Entscheidungen trifft, die Auswir-kungen auf die junge Generation haben wird. Ich denke, dass diese Entscheidungen durchaus in einigen Gemeinden mit hoher Verantwortlichkeit, aus Perspektive der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte (ü 55 und meist männlich), getroffen werden. Aber ob dies den Nerv „der Jungen“ trifft, sei dahin gestellt. Erstens geht „mehr“ immer und zweitens ist es für eine proaktive Kinder- und Jugendbeteiligung nach § 41 a GemO nie zu spät! In vielen Wortbeiträgen wurde in Ulm denn auch deutlich, dass viele der „Alten“ die Nachwuchsprobleme der politischen Fraktionen sehen. Aber diese, die „Jungen“ sollen kommen und Lust finden an der „Arena der Alten“. Wir meinen: Es geht umgekehrt besser: Wir gehen auf die Kinder und Jugendlichen zu und zeigen, wie toll es ist, seine Kommune zu gestalten. Ja – Kommunalpolitik – macht wirklich Spaß und ist interessant.

Und zum Schluss: Aus Beteiligung wird Interesse – aus Interesse kann auch Ausbildung, Studium und Beruf werden … vielleicht sogar im nachwuchsgeplagten öffentlichen Dienst. Ein schöner Nebeneffekt.

Kommunalpolitik wird älter und die Mitarbeitenden der Verwaltungen ebenso. Nicht alles liegt am Alter alleine. Da bin ich mir ganz sicher. Aber wenn die Mitarbeitenden schon immer und manchmal mehr als 20 Jahre in der ein und derselben Verwaltung arbeiten, dann hat sich so mancher Ablauf schon ziemlich verinnerlicht, ist ritualisiert. Nun ist es aber auch so, dass Verwaltungshandeln und Kommunalpolitik sehr eng miteinander in Verbindung stehen. Die Hauptakteur*innen dabei sind die (Ober)Bürgermeister*innen, die aktive Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung. Von ihnen könnte eine Innovation ausgehen, die einen zentralen Beitrag dafür leisten könnte, Kommune neu zu entwickeln und entdecken.

Dem öffentlichen Dienst fehlt der Nachwuchs, Verwaltungen überaltern. „Wenn Sie heute bei den jungen Leuten eine Umfrage machen, sind die durchaus bereit (in der Verwaltung) zu arbeiten, aber sie möchten flexibler sein. Und da bietet der Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst noch zu wenig Attraktivität. Wenn es uns gelingt im kommunalen Dienst entsprechende Angebote für junge Menschen zu machen, dann wäre das eine große Chance für uns, im Wettbewerb nicht unter-zugehen,“ so Ulrich Silberbach in einem Beitrag auf www.kommunal.de  (https://kommunal.de/artikel/arbeitsplatz/).

Eine konkrete Idee hierzu ist, die Auszubildenden und Studierenden der Verwaltung mit in die Jugendbeteiligung einzubeziehen. Der Austausch zwischen den Jugendlichen der Gemeinde und den Auszubildenden der Verwaltung könnte durchaus auch Interesse wecken und Lust machen auf ein Engagement in der Verwaltung. Ein Praktikum könnte dann ein nächster Schritt sein.

Es geht um Wissensmanagement und um Wissenstransfer zwischen „Jung und Alt“, zwischen den Generationen. Wir müssen „Anreize“ für Jugendliche schaffen, wie z.B. eine aktive politische Bildung im schulischen Alltag und im kommunalen Leben zukünftig aussehen könnte.

Wenn wir, wenn unsere Generation möchte, dass sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zukünftig für die Politik und die Verwaltung in der Kommune engagieren, dann müssen wir Ihnen auch die Möglichkeit geben, Inhalte, Themen und die Rahmenbedingungen konstruktiv und zukunftsorientiert mitgestalten und weiterzuentwickeln zu können. Da ist die Umsetzung von 41a GemO nur ein kleines, erstes, aber sehr wichtiges Puzzleteil in einem ganzen großen Bild und ein erstes mögliches Engagement im vorpolitischen Raum. Es geht unserer Einschätzung nicht darum, dass „Junge“ in die Politik der „Alten“ eingeführt werden, nein es geht darum, dass „Junge“ informiert und motiviert werden, mitzumachen, ihre Ideen, Ihre Vorstellungen von Abläufen, Ihre Ideen von Engagement, Ihre Ideen von Ihrer Stadt auch in die Tat umzusetzen. Neuer Wein muss in neue Schläuche. Auch dazu dient der § 41a GemO. Damit gibt es für uns nur ein Fazit: Den § 41a GemO als riesen Chance sehen und ihn mit Herzblut und Überzeugen im Alltag anwenden. Und noch eins: Lieber den Paragrafen vielfältig auslegen – als zu eng. Das merkt die Jugend und das wird sie uns eines Tages auch danken – mit Engagement! So wie aktuell in Laichingen:

Dort fand mit großer Beteiligung im Mai 2017 ein zweites Forum statt. Dazu hatten die Jugendlichen den Jugendbeirat aus Süßen eingeladen. „Eure Stadt ist das, was Ihr daraus macht“ – lautete deren Botschaft. Und die kam an. In Laichingen gibt es jetzt einen Jugendberat. Rund 20 junge Menschen, die mitmachen, Ihre Stadt zu gestalten. Und Bürgermeister Kaufmann hat auch für Nachhaltigkeit gesorgt. Eine Mitarbeiterin des gehobenen Verwaltungsdienstes steht den Jugendlichen als kompetente Ansprechpartnerin in allen Fragen zur Verfügung und unterstützt so deren Ideen und Arbeit. „Ein Tropfen auf den heißen Stein, … kann der Anfang eines Regens sein“. Und die Arena der Alten, blüht auf und verjüngt sich – Laichingen und Langenau zeigen, wie und dass es geht. Und so lautete auch das Schlusswort eines Langenauer Stadtrates: „Wer sich nie auf den Weg macht, wird das Ziel nie erreichen“.

Laichingen und Langenau im Alb-Donau-Kreis, sowie weitere Gemeinden, sind positive Beispiele bei der Umsetzung der Jugendbeteiligung nach 41a Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Aber wie sieht es in all den weiteren 44 Stadt- und Landkreisen mit rund 1.1000 Gemeinden und Städten bei der Umsetzung von „41a“ aus? Bei der Durchsicht aller uns bekannten Untersuchungen und Expertisen kann gesagt werden, dass Baden-Württemberg im Ländervergleich durchaus gut da steht, aber es in manchen Regionen des „Ländle“ noch viel zu tun gibt. Dabei geht es ja nicht um einen Ländervergleich sondern es geht in erster Linie um die jungen Menschen und deren Gegenwart und Zukunft. Und um die Zukunft der Kommunen.

Udo Wenzl und Friedhelm Werner

Friedhelm Werner, Jahrgang 1964, war 16 Jahre Bürgermeister einer Stadt mit rund 11.000 Einwohner auf der Schwäbischen Alb. Seit 5 Jahren ist er Leiter des Bildungswerkes für Kommunalpolitik Baden-Württemberg e. V. und Geschäftsführer eines kommunalpolitischen Verbandes. Daneben hat er noch Lehraufträge an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg und an der Verwaltungsschule des Gemeindetages in Karlsruhe. Er wohnt in Langenau bei Ulm/Donau.