Archiv für den Monat: August 2014

Jugendbeteiligung: Der Frust über den McDonalds-Wunsch.

Viele Städte und Gemeinden sind bemüht, ihre Jugendlichen zu beteiligen. Wenn dies gut gemacht wird, dann sagen Jugendliche ehrlich, was sie sich wünschen. Bei den Kommunalverantwortlichen löst das oft Kopfschütteln aus, denn die Wünsche heißen „McDonalds“, „Primark“, „H&M“ und „Burgerking“. 

Erik Flügge

von Erik Flügge

Der Wunsch nach Konsumtempeln ist typisch für Jugendliche. Sie wünschen sich vor Ort, was ihnen in ihren Kommunen fehlt und was sie dazu zwingt, weite Wege auf sich zu nehmen. Oftmals sind das bestimmte spezielle Freizeitangebote, aber noch öfter sind dies bestimmte Konsumgelegenheiten. Dieser Wunsch ist definitiv kein Anlass für Frustration, sondern ein wunderbarer Anlass für ein Gespräch über Kommunalpolitik.

„Warum gibt es keinen McDonalds“ in unserer Stadt, fragen sich viele Jugendliche. Weil sie noch kaum Erfahrung mit Kommunalpolitik haben, liegt die Frage nahe, warum die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister keine Filiale eröffnet. Die Vorstellung, dass das Stadtoberhaupt zuständig sein könnte, ist wesentlich einfacher, als die komplizierte Realität von Franchise-Unternehmungen und dem Zusammenspiel von privaten und öffentlichen Akteuren.

Können wir es den Jugendlichen verdenken? – Nein, ganz und gar nicht. Verlangen Erwachsene nicht auch von der Bundesregierung, sie möge Jobs schaffen. Werden nicht auch Stadtoberhäupter abgewählt, weil eine privatwirtschaftliche Firma den Standort wechselt. Verlangen die Bürgerinnen und Bürger nicht allerlei Lösungen von ihrer Stadtpolitik für Probleme, die sie schlicht in der Nachbarschaft im Gespräch klären könnten und bei denen die Politik nunmal nichts machen kann.

Was sagt uns der Wunsch nach einem H&M? 

In der Aufforderung Konsumgelegenheiten im Heimatort anzusiedeln encodiert sich eine Botschaft an die Politik, die es aufzugreifen gilt: Die städtischen Angebote für Jugendliche sind vielfach nicht treffsicher.

Wenn sich Jugendliche wünschen, dass ein McDonalds Filiale eröffnet wird, dann wünschen sie sich nicht nur Burger, die nach Pappe schmecken und Cola, sondern sie wünschen sich einen Ort, an dem sie sich aufhalten wollen. Es sind Jugendliche, die sich von den vorhandenen Angeboten der verbandlichen und offenen Jugendarbeit nicht ausreichend angesprochen fühlen.

Greift man diese Rückmeldung ernsthaft auf, dann kann die Antwort nicht allein sein, dass es mehr Bildung hin zum kritischen Konsum braucht, wie sie oft von erwachsenen Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern gegeben wird. Die Antwort muss auch sein, dass heute bestehende Angebot der Jugendarbeit einer kritischen Prüfung anhand von Zielgruppen stand halten und Lebensweltgerechtigkeit geschaffen wird.

Die Lebensweltgerechtigkeit

Der Leiter der SINUS-Akademie, Peter Martin Thomas und ich fordern in einem Artikel über Schule („Lernen kann man überall“), dass diese sich für unterschiedliche lebensweltliche Perspektiven öffnet und ihre Bildungsziele und Bildungsanlässe nicht nur aus einem bürgerlichen Mainstream der Vergangenheit schöpft. Gleiches gilt auch für die Jugendarbeit von heute.

Halten unsere heutigen Strukturen der Jugendarbeit einer kritischen Prüfung anhand der Lebenswelt heute lebender Jugendlichen stand? Sind sie gerecht?

In den meisten Städten und Gemeinden verwenden die Kommune, Verbände, Vereine und Kirchen deutlich mehr Ressourcen für Jugendliche auf, die mit der bürgerlichen Gesellschaftsmitte kompatibel sind. Summiert man auf, was ein Jugendlicher ohne besonderen Betreuungsbedarf an Ressourcen bereit gestellt bekommt und stellt dies ins Verhältnis zu den – zu Recht – als „benachteiligte“ bezeichnete Jugendliche ergibt sich ein deutliches Gerechtigkeitsgefälle.

Es gibt in den meisten Städten und Gemeinden mehr Geld für’s Gymnasium als für die Hauptschulen, die Förderung von Vereinsstrukturen hat oft Priorität, obwohl diese für benachteiligte Jugendliche oft nicht anschlussfähig sind. Nimmt man noch alle freien Träger, Kirchen und Verbände mit in die Kalkulation auf, so ergibt sich ein Missverhältnis an Ressourcenaufwendung zwischen unterschiedlichen jugendlichen Lebenswelten.

Erkennen lässt sich dieses Missverhältnis in einem scheinbar unreflektierten Wunsch nach einem Burgerking. Aber eine Frage sei zulässig: Ist die frustrierte Antwort der Erwachsenen nicht mindestens genauso unreflektiert?